Ist Java schuld am Schaltsekunden-Crash zum 30. Juni 2012?

Ja, meinte neulich ein Mozilla-Ingenieur, als mit der Einführung einer UTC-Schaltsekunde zur Synchronisation der langsamer werdenden erdrotationsgebundenen Zeit UT1 mit der Atomuhrzeit UTC etliche Linux-basierte Webserver abstürzten, und mit ihnen so manche populären Java-basierten Anwendungen darauf mit.

Sogar in der Threeten-Mailing-Liste des JSR-310-Teams, das eine neue Datums- und Zeitbibliothek für Java 8 entwickeln will, nimmt der bei Oracle für den JDBC-Bereich beschäftigte Douglas Surber die von Mozilla ausgestreuten Gerüchte für bare Münze und glaubt, daß die JSR-310-Referenzimplementierung Threeten derartige Probleme zuverlässig beseitigen würde. Als Begründung dient ihm, daß Threeten eine Minimalunterstützung für Schaltsekunden böte.

Meine Antwort in der Threeten-Mailing-Liste bezieht sich unter anderem auf eine fundiertere Analyse von John Stultz, die die Probleme tatsächlich auf Fehler im Linux-Kernel zurückführt. Java ist also völlig außen vor, und damit ist es im Hinblick auf die Server-Abstürze egal, was das JSR-310-Team als Schaltsekundenunterstützung rudimentär implementiert (oder auch gar nicht). Sowohl Java als erst recht auch Microsoft Windows sind bis jetzt gegenüber UTC-Schaltsekunden völlig ignorant und funktionieren trotzdem… Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob Schaltsekunden nicht doch in irgendeiner Form unterstützt werden sollten, denn immerhin handelt es sich dabei um einen gesetzlichen Standard, der auch in der ISO-8601-Norm und im Internet-Protokoll RFC 3339 verankert ist.

Was lernen wir daraus? Nicht vorschnell irgendwelchen Gerüchten nachlaufen und daraus dann notwendig falsche Schlüsse ziehen. Wie auch in meinem letzten Kurzbeitrag zu populären Physikexperimenten angeklungen, rate ich zu mehr Un-Aufgeregtheit und Abwarten.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.